Das romantisch verkleidete Lustschlößchen
Wilhelm der IX. war
einer der reichsten Fürsten seiner Zeit. Er konnte
es sich leisten, eine mittelalterliche Burg nachbauen
zu lassen. Warum genau ließ der Landgraf seine
Wohnung so verkleiden, ja verkleidete sich selbst
mittelalterlich? Denn nach Dittscheid/Einsingbach/Fink
(1976) meinte er mit dem Ritter auf dem Sarkophag
in der Burgkirche sich selbst; in der Gruft darunter
ruhen bis heute seine Gebeine.
Wilhelm IX.
galt als typischer Vertreter des alten, in
der Revolution zusammenbrechenden Regimes.
Für die Vorkämpfer bürgerlicher Freiheiten war
die Residenz Wilhelm IX. gleichbedeutend mit
der Bastille in Paris, dem Symbol der verhaßten
Feudalordnung. Die Löwenburg muß auf diesem skizzierten
politischen Hintergrund gesehen werden. Die Idee
zu dieser künstlichen Ruine eines alten Ritterschlosses
entstammt der zeitgeschichtlichen Situation:
der Krise des absolutistischen Staates und seiner
feudalen Führungsschicht.
Der Ort der
Löwenburg erweist sich für das
Verständnis als höchst bedeutsam. Denn zwischen
Natur und Gesellschaft wurden wechselseitige
Beziehungen gesehen. Die Vorliebe für die Gotik,
die das Mittelalter signalisiert, geht nicht
zuletzt auf ihre Interpretation als Nachahmung
der Natur zurück. Der Ruinenbau sprach Gefühle
an. Eigene Vergänglichkeit, die Vergänglichkeit
des Geschlechts, der Herrschaftsform, der gegenwärtigen
Kultur und der sie tragenden Schicht mischen
sich hier zu einer allgemein pessimistischen
Haltung. Die Anlage der Löwenburg verrät ihre
Herkunft aus dem spätabsolutistischen Schloßbau:
das schon mehrfach erwähnte romantisch verkleidete
Lustschlößchen.
Interessant
ist, daß die Löwenburg zuerst Felsenburg
hieß, als sie erbaut wurde. 1794-1796 war der
Roman "Die Löwenritter, eine Geschichte des 13.
Jahrhunderts" von Christian Heinrich Spieß erschienen.
Im Jahr 1796 wurde die Felsenburg in Löwenburg
umbenannt. Das Buch ist in Wilhelms Bibliothek
mit vielen anderen Ritterbüchern nachweisbar.
Die Bauleitung in den Jahren 1793-1801 hatte
Heinrich Christoph Jussow. Er wurde nach England
geschickt, um mittelalterliche Burgen zu studieren.
Ein direktes Vorbild für die Löwenburg gibt es
allerdings nicht. Vielleicht sind es die Burgruinen
Jesberg und Löwenstein. |